01.09.2014, Chriatianshavn, 19:45 Uhr, Marzemino
Ja, ich bin versöhnt mit Kopenhagen! Heute morgen gab es tatsächlich blauen Himmel, das Joggen durch das Kastell und am Wachwechsel von Schloss Amalienburg vorbei hat richtig Spass gemacht und sogar die Ansagen im Hop-on-hop-off Bus waren zu verstehen (zumindest im 1. Bus). OK, es gab keine Brötchen, weil ich beim Laufen weder einen Bäcker, noch einen Supermarkt und noch nicht mal einen Seven Eleven gefunden habe, aber wir hatten ja noch ein bischen Knäcke und Graubrot so dass es für ein Frühstück in der Plicht noch gereicht hat. Nach der Besichtigung des Innenstadthafens mittels des 24h gültigen Rundfahrtbusses haben wir uns entschieden, direkt zum Schiff zurückzukehren und einen der vielen Liegeplätze mit grünem Schild zu nutzen. Das hat uns die wahnsinns-Tagestrecke von 1,3 Seemeilen eingebracht: Raus aus dem Hafen, an der kleinen Meerjungfrau und dem Kreuzfahrtschiff Europa vorbei (war das nicht auch mal das Traumschiff?), und dann der übernächste Kanal links (vor einer noch nicht ganz fertig gestellten Brücke) und direkt die erste wieder rechts. Jetzt liegen wir am Hauptweg der kleinen platten Kanalschiffe und bekommen immer einen Halbsatz der Erläuterungen in Englisch, Dänisch oder sogar Deutsch mit. Manchmal winken die Gäste und wir winken freundlich zurück. Ich frage mich, ob wir nicht von der Bootsgesellschaft bezahlt werden müssten, statt hier Hafengebühren abzugeben…
Von unserem neuen Liegeplatz ist es nur ein Katzensprung zur ‚Vor Frelsers Kirke‘ mit einer aussenliegenden Wendeltreppe zur Turmbesteigung. Auf dem Weg kommt man am Glockenspiel vorbei, das uns jetzt jede Stunde mit einer anderen Melodie beglücken wird. Die Aussicht war wirklich sensationell, man konnte sogar die Insel Ven noch sehen und die Öresundbrücke und das Wasser im Süden von Kopenhagen (ich muss nochmal in der Seekarte nachsehen, was das jetzt ist). Ausserdem sind wir durch Christiania geschlendert, das ist so eine Art alternativer Kleinstaat mitten in der Stadt. Die Atmosphäre erinnert an das Tollwood-Festival in München: Politisch korrekte Speisen und Getränke, handgebatikte bunte Tücher und jede Menge Hasch-Wolken. Es ist wohl umstritten, aber funktioniert schon seit den 70ger Jahren.
Leider hat mein Kindle gerade schlapp gemacht, dabei war ich noch mitten im Buch der Journalistin, die 2011 jeden Monat in einer anderen Stadt verbracht hat. Sie war grade dabei nach Hause zu kommen und ich wollte mich doch auch schon mal auf diesen Moment einstimmen – so ein Mist! [T]
20:49, Restaurant WOK, am Fenstertisch mit Blick auf die abendliche Torvegade,
War ja klar. Kaum illumiert und wärmt die Sonne das Schiff und natürlich die umliegende Stadt, dann geht das Herz auf. Es wird zunehmend größer und ist bereit mit Wohlwollen die Umgebung auf sich wirken zu lassen und an sich heranzulassen. Das funktioniert (fast) immer.
Im Sonnenlicht sah sogar der gestern noch so triste Brunnen im Schloßpark strahlend aus. Das fanden im Übrigen auch eine Reihe anderer Touris, die sich davor versammelten und Fotos von sich und ihren Lieben schossen.
Mir war schon ein wenig mulmig, die sich immer enger wendenden Treppenstufen an der Außenseite des Kirchturms hochzuklettern. Zwar trennte mich noch ein dickes Eisengeländer vom Abgrund und den Strassen der Stadt, doch der Wind und der Höheneindruck liessen mich einen Moment innehalten. Will ich wirklich weiter? Dann kam mir der Gedanke, dass ab und an ein bisschen Überwindung den Weg zu neuen Erfahrungen und Erlebnissen bereitet. Na dann, nochmal tieft eingeatmet und dann weiter bis ganz nach oben. Der Weg wurd immer enger und von oben kamen dann natürlich auch eine Reihe anderer Besucher entgegen, die das Geländer fest in ihrer Hand hatten und sich an mir vorbei drückten. Belohnt wurde die Mühe mit einen wirklich phänomänalem Bick über die Stadt und auf ihre Häuser und Strassen. Viele Häuser haben große Innenhöfe, in denen abseits des Strassenlärms das Leben in dieser Metropole genossen wird.
Das Buch „Das große Los“, dass Tanja bereits erwähnt hat, ist wirklich lesenswert. Vor allem, weil wir uns in einer Reihe von Aussagen in unserem Tun und Handeln, jetzt und hier zu sein und überhaupt uns auf den Weg gemacht zu haben, bestätigt werden. Die Autorin, als Journalistin, arbeitet im Gegensatz zu uns aber auch unterwegs. Das Arbeiten geht ihr auf Reise sogar viel leichter von der Hand, als zu Hause. Sie schafft mehr, doch mit mehr Freude und mehr Raum und Zeit für Dinge, die ihr sonst noch Spass machen oder die sie schon immer mal machen wollte. Sie gibt dem Zufall Raum und Chance. Lässt sich von Lesern anregen dies und das zu tun, Dinge, auf die sie von alleine nicht gekommen wäre. Eine Lektüre, die mich weiter zum Nachdenken anregt. Ja, da kann man sich schon fragen,warum liest er das und macht nicht selber was? Alles zu seiner Zeit! [M]