16.08.2014, 13:30 Uhr, Borenshult, auf der Marzemino, am Fuße der Schleusentreppe
Gestern Abend nach Beendigung der Notizen für den Blog dachte ich (Grüße an die Bordmarie an dieser Stelle) „Das ist jetzt ein Reisebericht“. Er erinnert mich an frühe Aufsätze in der Schule oder den Spanisch Unterricht „al primero“, „despues“,“el dia siguente“ unsdoweiterundsofort. Vom Gefühl getrieben, ein paar Aufzeichnungen im Rückstand zu sein, war mein Gedanke, die Ereignisse des Tages irgendwie zu konservieren. Wenn dann die Latte der eigenen Ansprüche ’nur‘ so hoch liegt, am Abend im Hafen anzukommen aber man liegt dort bereits fest und sicher, ja dann treibt das schon mal einfache Reiseberichte in die Tastatur. Aber was soll’s. Hauptsache wir haben eine Möglichkeit im Nachhinein nachzulesen, wann was war. Gestern Abend hatten Tanja und ich nämlich das Problem, dass wir beide nicht mehr wussten, wo wir die Petroleumlampe gekauft haben (an der Tanja sich dann 10 min später verbrannt hat). Eben gerade meint Tanja es sei Nyköping gewesen. Doch in der Diskussion, wir haben beide das Geschäft auf dem Berg noch vor Augen, kristallisiert – oh, ich kenn den Begriff noch 😉 – sich raus, dass es in Norrtälje war. Naja, das ging so eben noch ohne alle Aufzeichnungen durchzusehen.
Hier unten vor den 5 Schleusen von Borenshult haben wir etwas Zeit, da gerade 4 Boote von oben nach unten geschleust werden und dann erst ein Passagierschiff vor uns nach oben darf. Zwei weitere Boote sind schon vor uns hier am Anleger angekommen. Mit denen werden wir wohl zusammen dann hochgehen.
Avisierte Zeit für die nächste Schleusung ist nun 14:15 Uhr. [M]
weiter um 20:30 Uhr, Motala, an Bord der Marzemino
Wie schön, wenn sich Vorurteile bestätigen. Schon abends in Borensberg war uns eine ziemlich große und ziemlich unförmige Deckssalon-Yacht aufgefallen: Eine Moody 45 DS. Der Aufbau sieht eher aus wie eine Bushaltestelle, mit sehr großen und steilen Fenstern und einem festen, weit über die Plicht überstehenden Dach. Wir stimmten mit unseren Briten überein, dass es sich bestimmt um ein sehr komfortables Boot handelt, aber ob man dafür diese Linien in Kauf nehmen würde???
Bis wir uns nach dem gemütlichen Lauschen auf den Regen um 7 Uhr (Oh weia, die Flute wollte schon vor sieben los, die werden bestimmt grade ziemlich nass), einem Lauf durch die Stadt (vorsichtig nach nach Überstandener Erkältung und dickem Fuss) und Auswärts-Frühstück in der ehemaligen Lagerhalle auf den Weg gemacht haben, war die Moody schon weg. Nach der windlosen aber sonnigen Überquerung des Boren Sees haben wir sie dann vor der Schleusentreppe in Borenshult wiedergetroffen. Eine vorsichtige Annäherung zur Diskussion, ob wir wohl mit der Moody und einer weiteren deutschen Yacht (eine Comfortina 34) gemeinsam in eine Schleusenkammer quetschen könnten, kamen eher seltsame Antworten. Na ja dachte ich, es gibt ja noch Schleusenwärter, die werden das schon regeln. Und wirklich: Die nette junge Dame hatte uns schon sortiert, ausserdem hatte sie noch die Info, dass sie immer 30 min vor der Ankunft eines Passagierbootes die Schleusenkammer bereit halten muss und wir daher erst danach dran sind. Super, das gibt mir die Gelegenheit zu einer kleinen Hilfestellung für eine freundliche Yacht aus Schottland (Sorry to interrupt you, Sorry for beeing in front of you and so near to your boat, Sorry for …, Briten sind doch seeeeehr höfliche Menschen) und für ein erfrischendes Bad im Boren-See.
Dann ging es endlich los und unsere Moody war mit ihren 4,5m Breite auch die erste in der Schleuse. Wir auf der gegenüberliegenden Seite dahinter und neben uns noch die Comfortina. Trotz Bugstrahlruder und elektrischen Winschen hat sich die Moody in der Schleuse so breit gemacht, dass wir echt Schwierigkeiten hatten, uns von ihrem Heck frei zu halten. Sie hatte auch einen schönen dicken Fender übrig, aber leider nicht an der Seite, sondern vor dem 4,5m breiten Heck, da nützt er jetzt nicht soooo viel.
Aber das Beste war dann die Ausfahrt nach der letzten Schleusung: Unter den klassischen Klängen der Moldau wurde der letzte Auszug zelebriert! Noch Fragen? Als Heimathafen stand übrigens Köln am Heck….
Wir hatten eine kurze Schrecksekunde: Während wir noch am Lästern waren, veränderte sich das Gefühl am Ruder und auch der Schub war nicht wie gewohnt. Zur Sicherheit sind wir kurzerhand am Wartesteg längsseits gegangen und haben mit VOrwärts- und Rückwärts Gang gespielt. Als es dann wieder ging, vermutete ich eine Ladung Seegras in der Schraube und wir haben die Verfolgung der anderen Schiffe aus unserer Schleuse wieder aufgenommen, um an den Brücken nicht den Anschluss zu verlieren. Später dann habe ich unter das Heck gegriffen und mehrere Kilos Grünzeug unter dem Schiff hervor gepflückt. Beim Warten vor der übernächsten Brücke erzählte der Skipper der Comfortina vom gleichen Problem, da war ich dann wieder beruhigt. Wenn man so oft auf einem Schiff mit Motor-Problemen gefahren ist, kommt bei jeder Veränderung direkt ein Adrenalin-Schock.
Da unsere ganze Familie heute mit meiner Stiefschwester Geburtstag feiert (nochmal herzlichste Glückwünsche von dieser Stelle) haben wir uns auch das Kochen gespart und im Restaurant gespeist. Glücklich unter dem Dach konnten wir dann den nächsten Wolkenbruch beobachten: Unser Wetter-Timing war heute mal wieder super [T]
Ich vermisse so langsam die wunderbaren warm-heißen Tagen. Zwar sind es immer noch angenehme 20 Grad, aber so richtig Sommer ist das leider nicht mehr. Dafür sehen die riesigen Cumulus Wolken, die in mindestens 256Â Abstufungen von Weiß bis Schwarz den Himmel bedecken, sehr viel abwechselungsreicher aus, als diese eintönige strahlende Himmelblau von neulich. Auch ist der Kitzel viel größer. Heute auf dem Boren rannte so eine graue Regenwand hinter uns her. Ob die uns einholt? Nö! hat sie nicht, ist aber dicht am Heck vorbei gezogen. Also Jacke wieder aus. Gerade dieses Jacke an und dann wieder aus, das gab’s in den Schären neulich zum Glück nicht. Mal sehen, ob es in den südlicheren Gefilden demnächst wieder besser wird? Wenn das doch schon „Dänische Südsee“ heißt, dann wird da wohl hoffentlich auch ein bisschen was dran sein. Oder? Aber noch erfreuen wir uns an unserem Timing hier im Kanal, Mitten im schwedischen Festland.[M]