25.08.2014, 21:15 Uhr, Lille Bommen, Göteborg, an Bord der Marzemino
Gestern Abend, so gegen 7, lichtete sich der Himmel, das Grau verzog sich und ein bisschen hellblau tauchte über uns auf. Um nicht in der Abgeschiedenheit des Hafens zu versauern, sind wir nochmal los in die Stadt. Mit ein wenig Sonne sieht doch alles gleich viel besser aus. Auf dem Weg, an der Stelle, wo ich das Loch der Schleuse erwartete war nur eine riesige Fläche gefällter Birkenstämme zu sehen. Auch Autos standen beim Haus des Schleusenwärters. Mal sehen, was da los ist: die komplette Schleuse war ausgefüllt von einem Frachtschiff. Links und rechts max. 10 cm Luft. Wie ist das denn da rein gekommen? Und wie kommt das da wieder raus? Wir wollen doch noch weiter? Hier darf doch wegen einer verstopften Schleuse nicht einfach Schluss sein? Und warum bringt das Schiff Holz? Hier ist doch überall Wald! Glücklicherweise war der Schleusenwärter ein freundlicher Zeitgenosse der mich aufklärte. Auf Nachfrage nannte er mir den Code für Toiletten und dann erklärte er mir auch noch, dass das Holz für eine Papiermühle sei. Aha. Wieder was gelernt. Wir staunten noch, wie der Skipper des Frachters den Kahn ohne einmal anzuecken langsam aus der Schleuse schob. Nicht übel. Dann zogen wir weiter in die Stadt. Tanja bemerkte noch, dass es mehr Frisöre als Bäckereien gibt. Das Lachen ist mir schnell vergangen, als wir tatsächlich an den zwei Strassen, die wir gelaufen sind, auf 5-6 Frisörsalons (und einen reinen Make-up Laden) gestoßen sind. Bäckereien habe ich keine gesehen. Durch die tiefstehende Sonne, die die Strassenzüge beleuchtete zeigt sich Lilla Edet von seiner schöneren Seite. Ganz so übel ist die Stadt dann wohl doch nicht. Vor allem, weil es hier die erste Schleuse Schwedens immer noch zu bewundern gibt.[M]
Für mich das Highlight in Lilla Edet: Der ICA Supermarkt, der auch am Sonntag von 7 bis 23 Uhr geöffnet hat. So konnten wir unsere Vorräte noch ein wenig auffüllen und sogar noch einen frischen Salat als Vorspeise für den Abend mitnehmen. Wahrscheinlich hängt das zusammen: Lebensmittelgeschäfte inkl. Bäckereien lohnen sich nicht, weil man alles im ICA bekommt und der hat halt immer auf. Alle anderen Geschäfte schliessen in der Woche spätestens um 18 Uhr, danach geht man zum ICA oder ins Internet (DHL ist auch in Schweden gut im Geschäft, wir haben einige LKWs auf den Strassen und auch ein Verladezentrum gesehen). Dienstleistungen wie Haareschneiden kann man noch nicht im Internet kaufen, darum gibt es jetzt Frisöre und Pizza-Döner-Imbissbuden.[T]
Pünktlich um 9 heute morgen ging unsere Reise im Nieselregen weiter. Erst durch die nun wieder freie Schleuse, dann 28 sm den Göta Alf weiter Richtung Göteborg. Der Regen hat uns heute eigentlich weitgehend in Ruhe gelassen. Es war eine gemütliche Zuckelei im Konvoi durch die verbleibenden Brücken hindurch.[M]
Ich fand es sehr nett, dass wir heute morgen nicht alleine im Nieselregen aufgebrochen sind, sondern mit uns ein Schiff aus Bruinisse (schöne Grüße von der Fisch-Bude), einem Engländer und unseren zwei Dänen von gestern. Auf dem Weg zum Servicegebäude hatte ich schon einen netten Plausch mit den Niederländern, und wir waren uns einig, dass es mit mehreren Schiffen in der Schleuse einfach „cosy“ bzw. „gezellig“ ist! In der letzten Schleuse haben wir dann auch das beste Vorgehen beim Abwärtsschleusen im Trollhätte-Kanal gefunden, aber ich bin trotzdem froh, dass wir jetzt durch sind. Auf das Hantieren mit einer nassen, kalten Leine im Angesicht von 6,5 m nasser Schleusenwand noch vor dem Frühstück kann ich gut verzichten.[T]
Die Anfahrt auf Göteborg durch den Kanal bzw. den Göta Älv ist vollkommen anders als unsere Annäherung an Stockholm. Merkte man das Näherkommen der Hauptstadt vornehmlich durch zunehmend dichter stehende Wohnhäuser, so kündigt sich die Metropole an der Westküste Schwedens eher durch dicht an dicht stehende Gewerbe und Industriebauten an. Es schallt merklich lauter von den Ufern auf uns ein als wir es die letzten Woche gewohnt waren.
Im Lilla Bommen angekommen, haben wir im prasselnden Regen das Schiff erstmal längseits festgelegt und uns ein Buch geschnappt, um den Regen abzuwarten. Nach ca. 1 h dann haben wir das Schiff wie vom Hafen gewünscht mit dem Bug zum Steg festgemacht und sind in die Stadt.
Erst in eine riesige Mall, mit viel zu vielen Menschen und Geschäften. Dort haben wir lecker bei Saigon Food gegessen und sind dann weiter. Aus der Mall raus, auf einen Patz mit viel zu vielen Bussen und Strassenbahnen. Wo sind die Fahrpläne, an denen täglich nur ein, zwei Busse angekündigt werden? Warum ist das so laut? Die ganze Brücke vibriert von den vorbeifahrenden Bussen und Strassenbahnen. Erschüttert vom Gewusel wünschen wir uns in die Schären zurück. Erst langsam, wir schlendern durch ein paar abseits gelegene Gassen, wird es ein wenig ruhiger. Aber nicht still. Der Lärm der Stadt schleicht bis in die hintersten Winkel, bis hin zum Kronhuset, dem ältesten profanen Gebäude der Stadt. Wir haben genug gesehen und gehört.
Erst als ich heute Abend in der Plicht saß, mit Blick geradeaus auf die Außenseite der Mall, rechts die Oper mit der Promenade, links hinter mir ein großer weißer Viermaster sowie ein schickes glitzerndes Hochhaus und unter mir die vibrierenden Reflektionen der Schiffsmasten im Abendlicht, erst in diesem Moment konnte mir Göteborg wieder näher kommen.[M]
Ja, mich hält irgendwie nix hier in Göteburg, ich möchte so schnell wie möglich wieder weg. Da die Waschmaschine den Abend durch für uns in Betrieb war, sind wir jetzt wieder mit sauberen Klamotten ausgestattet, also soll es morgen weiter gehen Richtung Süden. Der Wetterbericht verspricht nur noch einzelne Schauer und Wind von Norden, vielleicht können wir morgen mal wieder ein bischen segeln. Wir konnten uns nicht entscheiden, ob wir lieber die Westküste Schwedens runter fahren, oder über den Kategatt nach Dänemark wechseln sollen. Jetzt fahren wir morgen durch die Westschwedischen Inseln nach Gottskär, und danach wahrscheinlich rüber nach Dänemark. Das ist zumindest der Plan, aber der Wettergott und der Klabautermann haben natürlich auch noch ein Wort mitzureden… [T].
Hallo Kanalfahrer,
sind die Sanitärräume in Lilla Edet immer noch Standard 1937 und bei ICA immer noch meterlange Regale mit Küchenpapier und anderen Rollen zu finden. Dafür brauchen die das viele Holz.
Im übrigen, die Entscheidung an der Westküste Schwedens zu bleiben um im Oeresund die Insel Ven (dänisch) anzulaufen (ein Observatorium des Astronomen Brahe, ein Zeitgenosse von Kopernikus ? ) und dann den Riesenjachthafen in Helsingborg, im Schatten des Schlosses, das Hamletschloss; zu besuchen, ist eine gute Entscheidung. Die Inseln im Kattegat, Läsö und Anholt sind auch sehr nett, doch alles geht nicht! Und Kopenhagen wartet auch noch auf einen Besuch.
Jetzt wünsche ich Euch mal wieder Sonnenschein, wir erwarten ihn ab morgen, Die letzte Woche habt ihr hier auch wettermäßig nichts verpasst. 18 Grad Regen. Da kann es auf dem Kanal mit Wohnzimmer, Küche und anheimelnder Koje auch „hyggelig“ sein. Und die Webastoheizung, die habt ihr doch auch, vertreibt dann auch die feuchte Luft.
Weiterhin den richtigen Kurs.
Das mit den Bäckern ist natürlich problematisch. Ihr könnt nie auf der Brötchentüte lesen, wo ihr angelandet seid.
Mast- und Schotbruch
der Alte
Hallo ihr Zwei,
ein bischen Regen – o.k. – aber ich denke, jetzt reichts. Bilder von den herrlichen Wolken habt ihr ja jetzt reichlich, nun sollte auch mal die Sonne scheinen. Wir wünschen euch noch viele sonnige Tage und immer den Wind aus der richtigen Richtung und genießt die restliche Zeit.
Was mache ich nur, wenn die Reiseberichte nicht mehr ankommen?
Weiterhin alles Gute von
Heinz und Rita