Die erste Flaschenpost – von Motala über den Vättern nach Vassbacken

18.8.2014, 19:45Uhr, an Bord der Marzemino, Vassbacken

Der Wetterbericht verspricht eine trockene Periode am Vormittag und Gewitter um 12 Uhr. Also sind wir für unsere Verhältnisse sehr früh unterwegs: Schon um 10:05 Uhr werden die Leinen in Motala gelöst. Die erste Etappe heute geht über den Vättern, ca 17 Seemeilen über das offene Wasser – endlich mal wieder segeln! OK, es sind dann ein paar mehr Knoten Wind, als vom Wetterbericht versprochen, daher wurde die Passage durch ab und zu überkommende Wellen etwas feucht. Eine besonders große Welle (oder war da wieder der Klabautermann am Werk?) hat dann auch die gefüllte Thermoskanne unter der Sprayhood hervor gekegelt und ins Wasser befördert. So blinkte sie uns aus den Wellen an, wer hätte gedacht, dass Thermoskannen aus Metall schwimmen können? Eine sofort eingeleitete Rettungsaktion, das berühmte „Thermoskanne-über-Bord-Manöver, war dann aber leider nicht mehr erfolgreich, mit zwei Personen verliert man das zu rettende Gut einfach zu schnell aus den Augen. Wer weiss, vielleicht findet dereinst ein Fischer am Vättern diese Kanne, erfreut sich am heissen Tee und wundert sich über die fehlende Nachricht!
In Karlsborg angekommen haben wir eine kurze Gedenkminute für das leckere Essen bei unserem ersten Besuch 2008 eingelegt, haben aber unseren Weg direkt fortgesetzt. Wir sind jetzt etwas in Eile:
Die Hauptsaison des Kanals endet am 19. August (morgen). Wer dann noch unterwegs ist, muss sich bei der Kanal-Gesellschaft melden und wird einem Konvoi zugeordnet. Leider wird unser letztes Stück erst wieder am 22. August bedient. D.h. entweder schaffen wir es morgen bis hinter die letzte Schleuse, oder wir haben eine Zwangspause von zwei vollen Tagen.
An unseren eigentlich geplanten Endpunkt für heute haben wir darum Zeit und Strecke verglichen, und sind dann direkt weiter. Wenn wir es bis 18 Uhr durch die Brücke über dem Viken, oder sogar noch durch die Schleuse in Tatorp schaffen, haben wir eine Chance! Der Viken ist der höchstgelegene See auf der Strecke, wir sind jetzt mehr als 90 m über dem Meeresspiegel der Ostsee. Vor dem See, muss man zwei sehr enge Kanal-Abschnitte passieren, die direkt in den anstehenden Fels gesprengt worden sind. Um den Gegenverkehr zu warnen, gibt man in der Seekarte verzeichnete Schallsignale – das macht Spass. Wenn man es dann geschafft hat, immer den richtigen Eingang zu wählen und sich von den Mauern freizuhalten wird man belohnt durch einen schottischen See, inkl. Regen, ein wirklch magischer Anblick. Als dann die Sonne wieder herausgekommen ist, haben wir uns erstmal einen schottischen Whisky gegönnt, der passte so schön zum Ambiente!
Pünktlich um 17:45 Uhr sind wir dann auch vor der Schleuse am Ende des Sees angekommen und wurden als letzter Gast noch durchgelassen. Bei dem Stück Kanal danach, so in der Abendsonne, hatte ich mal wieder den Eindruck durch einen englischen Landschaftspark zu fahren. Irgendwie Englischer Garten in München oder sogar die Tümpel im Düsseldorfer Hofgarten: Rechts und links stehen hohe Bäume, manchmal gemähter Rasen mit Gartenstühlen, manchmal auch verwunschener Wald. Die Ränders des Kanals sind mit Steinplatten gefasst, ab und zu eine Ente – einfach schön.
Jetzt liegen wir vor der nächsten Brücke an einem Ort am Ende der Welt (ich bin mal gespannt, ob man Vassbacken bei Google-Maps findet). Hier wurde früher Getreide auf Lastkähne verladen, jetzt gibt es einen Campingplatz, ein Cafe und eine Minigolf-Bahn. Wir liegen unter hohen Bäumen, morgen früh pünktlich um 9 Uhr mit der ersten Brückenöffnung geht es weiter Richtung Westen.[T]

DieBrücke im Bau - sie ist fertig!

DieBrücke im Bau – sie ist fertig!

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Eine der Schleusen zum Gipfel

Eine der Schleusen zum Gipfel

Am höchsten Punkt der Reise

Am höchsten Punkt der Reise

So besser ...

So besser …

... oder so?

… oder so?

Erschöpft vom Schleusen

Erschöpft vom Schleusen

Wir ham's bis ganz nach oben geschafft

Wir ham’s bis ganz nach oben geschafft

Platz da! Tuuuuut - Tuuuuut

Platz da! Tuuuuut – Tuuuuut

Greetings to/from Scotland

Greetings to/from Scotland

Im Vorbeifahren gesehen

Im Vorbeifahren gesehen

Schleuse mit Handbetrieb

Schleuse mit Handbetrieb

Wie im Park

Wie im Park

Spieglein, Spieglein - wo ist's am schönsten im ganzen LAnd?

Spieglein, Spieglein – wo ist’s am schönsten im ganzen Land?

Post-Office in Vassbacken

Post-Office in Vassbacken

Ein grüner Punkt. Mitten in Schweden. So stellt mein Smarphone unseren derzeitigen Aufenthaltsort dar. Ja, und wir sind immer noch auf dem gleichen Segelboot, mit dem wir schon vor Kühlungsborn auf den wellen getanzt und in den Schären von der Badeplattform aus in die kühlen Fluten der Ostsee gestiegen sind. Warum schafft man ein Segelboot auf 91 m über den Meeresspiegel? Weil es Spass macht und schöne, andere Landschaften zu sehen sind als an der Meeresküste. Die staunenden Touris an den Schleusen lassen uns jedesmal ein bisschen wichtig fühlen (wichtig, dass kommt von Wicht + Ich). Positiv ausgedrückt: Leere Schleusen sind doof! Ich erinnere mich noch an ein schwedisches Paar mit seinen Teenis, die enttäuscht an der Treppe von Berg gestanden haben. Hmm, nichts los? Was soll hier so toll sein? Ich konnte mir nicht verkneifen, die vier darauf hinzuweisen, dass wir in ca. 30 min aufwärts gehen würden. Ok, dann überbrücken wir die Zeit mit einem Eis. Später, nach der dritten oder vieren Schleusen riefen die Eltern mir dann noch noch ein „Danke!“ zu und verabschiedeten sich. Das sind die kleinen glücklichen Momente, warum es toll ist, den „Eimer“ (ich komm da noch nicht drüber) auf den Berg zu schaffen.

Und warum dann wieder runter? Gute Frage. Zum einen, weil auch diese Reise irgendwann ein Ende haben wird. Zum anderen, weil wir neue Ufer erkunden wollen. Weiter, weiter. was gibt es noch zu sehen? Ist es dort hinten genau so toll wir hier? Bestimmt! Aber sicher wird es anders.
Das segeln auf dem Vättern hat heute eine Vorgeschmack auf die Rückreise auf der Ostsee gegeben. Danke Tanja, dass ich am Ruder bleiben durfte! Das war ein auf und ab, von Backbord rollten die Wellen an, die Marzemino krängte nach Steuerbord, so dass die Planken wieder gut gespült wurden. Der Vättern See ist doch genügend groß, dass sich eine recht hohe Welle aufbauen kann! Zum Glück war die Wele auch einigermassen lang, so dass ich nur ab und zu eine Dusche abbekommen habe. Süsswasser! Irgendwie hatte ich einen salzigen Geschmack erwartet. Aber das ist ja (noch) nicht die Ostsee. Nur gut, dass ich zuvor auch die Segelhose und die Stiefel angezogen hatte. Als hätte ich es geahnt. Und mit hochgeschlagenem Kragen der Segeljacke waren die überkommenden Wellen ganz gut zu ertragen. Es war aber schon schön, als irgendwann die Festung von Karlskrona in Sichtweite kam und die verbleibende Anzahl an zu fahrenden Seemeilen bestätigt schrumpfte. Kurze Momente von „was mach ich hier eigentlich“ blitzten auf. Doch ein, zwei Stunden später im Kanal, alles war wieder ruhig und glatt, da überwiegt die Freude, es wieder einmal geschafft zu  haben. Ein Stück sich selbst überwunden zu haben und ein kleines bisschen reifer geworden zu sein. Die Thermoskanne habe ich von Bord gleiten sehen. Wir wollten gerade die segel ein weiteres Mal reffen, als das Ding in den See rutschte. Wie gestern, bei der Objektivkappe, dachte ich, dass Ding geht direkt unter. Aber Pustekuchen. Die Kanne schwamm noch sichtbar ein Weilchen achteraus. Ich habe wohl zu langsam reagiert. Hätte direkt in den Wind gehen sollen, damit das Boot Fahrt verliert und wir in Nähe der Kanne bleiben. Da sind die Momente, wo mir klar wird, dass ich noch einen Menge Seemeilen hinter mich bringen muss, bis mir eine richtige Reaktion in Fleisch und Blut übergeht. Ich hoffe, dass ich beim nächsten Mal dann besser reagiere. Die nächsten Tage wird’s dann bei Bedarf wohl frischen Tee geben. Schade, war auch schon so eine tägliche Routine geworden, den Tee für den Tag morgens in der Kanne zuzubereiten. Sie wird mir fehlen, die Kanne. [M]

One Response to “Die erste Flaschenpost – von Motala über den Vättern nach Vassbacken”

  1. Hazel sagt:

    Vassbacken findet man doch in Google Maps! Schone Mutze Tanja – wir wussten das du es gebrauchen konntest – auch wenn es in Juli kaum vorstellbar war! Schade mit die Thermokanne und das leben ohne ist schwer!
    lg auch von Erland!

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