01.08.2014, Notviken, Eckerö, Alands, Finnland, an Bord der Marzemino
Ach wie schön, wenn man aus Beobachtungen beim Joggen die richtigen Schlüsse zieht! Und dann erst ausgelacht wird: „Ja, ja, das ist wieder die Rheinländerin, reimt sich die Welt so zusammen, wie sie sie gerne hätte“. Aber es ist tatsächlich so, dass die vielen Fähren, die Geschäfte und Hinweise auf Shopping in Verbindung mit dem Plakat zu einem Tax-Free Angebot darauf hindeuten, dass die Alands genau wie Helgoland vorwiegend von Touris leben, die zum Einkaufen vorbei kommen. Nach dem ausgiebigen Einkauf in einem Kunstgewerbe-Laden wurde dies dann von der Verkäuferin bestätigt: Die Schweden können auch für einen Tag kommen, die Finnen haben einen weiteren Weg und müssen mehrere Tage bleiben. Beide Länder nutzen die Alands aber auch gerne für ihren Sommerurlaub. Nach dem August fällt dann fast alles in Winterschlaf und wartet auf den nächsten Sommer.
Die Hauptstadt Marieholm wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts von den Russen gegründet, nachdem die alte Hauptstadt im Krim-Krieg zerstört worden ist. Jetzt ist sie eine wilde Mischung aus mehrspurigen Alleen, alten Holzhäusern, Gebäuden aus den 30er in denen sich ein finnischer Architekt austoben durfte und Beton- und Ziegelbauten wie aus den 70ern. Nicht wirklich schön, aber selten!

Ein Ziel für ganz Europa: Unsere polnischen Nachbarn im Hafen von Mariehamn – Guter Tipp: am Achterstag schimmelt die Wurst wenigstens nicht
Wir hatten genug Zeit zum Schlendern und Einkaufen und sogar für einen Besuch im Cafe mit echten Arland Panakaka (eine Art Reisfladen vom Backblech mit Koriander, garniert mit einer großen Portion halbflüssiger Erdbeermarmelade und Sahne – Lecker!
Laut dem Törnführer für die Alands (wir haben ihn nicht gekauft, sondern die wichtigsten Seiten im Hafenbüro nachgeschlagen), fahren zwischen 14 und 15 Uhr besonders viele Fähren, darum sind wir um 15:15 Uhr aufgebrochen. Bei 5 Windstärken mal eben hoch am Wind aber geschützt durch die vorgelagerten Inseln um die Ecke und dann wieder nach Norden war eigentlich ein guter Plan, aber die Wellen waren doch etwas höher als erwartet. Unsere Gäste haben aber unerschrocken mitgespielt und der Lohn ist Notviken: Eine sehr romantische Bucht mit einem fast leeren Steg. Direkt nebenan sind noch ein paar verrottete Pfähle zu sehen:
Ich stelle mir jetzt vor, dass hier früher die Wikinger (die aus den Viken, den Buchten kamen) gehaust haben und zu ihren Beutezügen aufgebrochen sind…
Die Krönung des Tages wurde dann vom Maitre de cuisine und der Kaltmamsell kredenzt: Als Vorspeise Bulgur-Salat, dann ein traumhaft kremiges Champignon-Risotto und zum Abschluss Aland-Himbeeren in Joghurt mit enem Zimt-Keks-Crumble-Topping – ich beginne schon jetzt, die beiden zu vermissen.[T]
(geschrieben am 02.08.2014, 11:29 Bordzeit (= UTC +2))
Mariehamn erinnert mich ein wenig an amerikanische Städte. Weite, doppelspurige Straßen, doch wenige Autos, gesäumt von diversen Restaurants und Geschäften, die mit ihrer Reklame um Kunden werben. Vom Västerviken, dem Yachthafen in dem wir direkt hinter der Pommmern liegen, geht der breite Weg an Autos vorbei, die auf die nächsten Fähren warten. Wir kommen zu der einzigen Kirche in Mariehamn, wo eine junge Frau uns und anderen Touris bereitwillig Fragen zur Kirche beantwortet. In der Fußgängerzone ist alles von Cafes, Restaurant, Herren und Damenfrisör über Eisbüdchen, Krims-Kramsläden und Damenboutiquen alles zu finden. Die Alands werben um neue Bürger, die sich hier ansiedeln. Ob ich wohl mit einer Herrenbutike Erfolg hätte? Wieviele Kunden müssten von Juni bis August kommen, damit ich den Rest der Zeit im Schaukelstuhl mit Blick in die Dunkelheit oder im Lichte der Kanaren verbringen könnte? Schwer vorstellbar an diesen hellen Sommertagen, dass der andere Teil des Jahres hier im Norden in langer Dunkelheit abläuft. Vielleicht sollten wir im Dezember noch mal wiederkommen, bevor wir uns hier für länger niederlassen?
Der Weg nach Notviken war schon so, wie ich es erwartet, um nich zu sagen befürchtet hatte. Der SW Wind hatte eine lange Anlaufstrecke und konnte die See im SW Alands ganz gut in Wallung bringen. Angekündigte Winde, die am Abend bis 24 Kn zunehmen solllten, liessen mich vorsorglich ein paar Tabletten nehmen. Erst konnte ich die wohl etwa 2 – 2,5 m hohen Wellen bei dem blauen Himmel gut geniessen. Ein bisschen Bedenken hatte ich um unsere Mitreisende. Die Sorge war aber unbegründet, denn diese hatte den Tip bekommen, ein Ohr mit Oropax zu verschliessen. Jedenfalls hat Katrin den Törn besser überstanden als ich. Mal wieder konnte ich das Rollen nicht ab und opferte in Lee. Schade, dass immer nur einer (oder eine) am Ruder stehen kann. Gestern Abend bin ich nach dem leckeren Abendessen jedenfalls todmüde auf der Steuerbordliege im Salon eingepennt. Erst als die anderen ins Bett gingen, bin ich wachgeworden, nur um nach einem kurzen Wechsel in meine Koje weiter tief und fest zu schlummern.
Die Bucht hier ist lauschig. In der Vorstellung erwartete ich endlose Eindsamkeit, doch ist der Steg an einen Campingplatz angebunden, der auch von Deutschen besucht ist. Bis Anfang des Jahres hatte ich keine Ahnung, dass es diese Inselgruppe (6757 Insel größer als 0,25 ha) überhaupt gibt. Dann dachte ich, dass nur Segler hier hinkommen. Und jetzt pendeln riesige Fähren Urlauber mit ihren Autos mitten in die Ostsee. Das nenne ich mal Horizonterweiterung!
Während die anderen die Insel erkunden, um Ihren Horizont zu erweitern, geniesse ich die Stille und das Plätschern am Boot. Lese von Weltumseglern und frage mich, ob ich es sinnvoll ist, Erlebnisse anderer nachzulesen anstelle selbst über die Insel zu schlendern? Im Moment ist mir aber eher nach ein wenig Ruhe und Entspannung als wieder neuen Eindrücken hinterher zu hecheln. Was werden die anderen nach Ihrer Rückkehr erzählen? Von Blumen und Bäumen? Von Elchen, die sie gesehen oder nicht gesehen haben? Man kann halt nicht alles haben. Die Entscheidung für das eine bedingt halt den Verzicht auf das andere. Damit kann ich gut leben. Hier besonders. [M]
Hi – wow – google kennt alles – sogar „Notiviken“ – tollrs Plätzchen – wo ihr überall rumtörnt – einfach irre.
Und „M“ lässt mal wieder den „Vollromantiker“ raushängen – von wegen “ . . . während die anderen die Insel erkunden . . .“ Ich find’s gut, dass Du Deiner romantischen Ader die volle Kanne gibst 😉 und das Leben zeitweise auf deine Art geniesst.
So so – Herrenklamotten verkaufen – Erfolg versprechend?? Im dunkeln monatelang leben?? Wat für Gedanken kommen Dir/Euch denn da oben in der nördlichen Einsamkeit. Nix überstürzen – kommt schon noch wat richtiges!
Ahoi Roberto
So Ihr Seeleute, das war für mich wohl erst mal der letzte Reisebericht, den ich für die nächsten zwei Wochen lesen konnte….unsere Koffer stehen hier gepackt und in zwölf Stunden sitzen wir im Flieger Richtung Urlaub. Nicht das ihr denkt, wir haben kein Interesse mehr an eurer Seereise…aber wir werden wahrscheinlich eine InternetfreieZeit haben:-) Ob die Mädels das so genau wissem:-))))?
Euch weiterhin eine tolle Reise, geniesst die Zeit und lasst es euch gut gehen und immer schön friedlich….
LG Eure Tina aus Anrath